Der 40. Allgäu Triathlon: Das ist Motivation… Das ist Vibe… Einfach Kult.

Im kalten, regnerischen November 2022 wird beim Schwimmtraining heftig debattiert, an welchen Wettkämpfen im kommenden Jahr teilgenommen wird. Und dabei schwärmten Sonja B. und Carsten K. von ihrer letztjährigen Teilnahme am Allgäu Triathlon. Es ist die Rede vom Kalvarienberg, dem Kuhsteig und krampfenden Waden. Und so lässt sich Benjamin H. dazu hinreißen, sich für 2023 ebenfalls bei diesem Wettkampf anzumelden.

Gleich ist eine Whatsapp-Gruppe für gemeinsames Training erstellt. Eine Unterkunft, die ESV-WG, für das Wettkampfwochenende ist auch schnell gebucht. Und die gemeinsamen Trainingseinheiten beginnen. Hoch motiviert werden schon im Frühjahr 23 bei 5°C und nur einzelnen Sonnenstrahlen auf der Wetter-App erste Ausfahrten absolviert. Ohne Neopren-Überschuhe und zwei paar Handschuhe hätte ein Kaffee-Stopp zum Aufwärmen nie gereicht.

Zur Vorbereitung auf das Saison-Highlight Allgäu Classic wurden natürlich andere Wettkämpfe zur Standortbestimmung bestritten. Beim Heim-Triathlon in Ingolstadt ließen Carsten und Sonja gleich mal die Muskeln spielen und absolvierten schon hier eine Mitteldistanz mit sensationellen Zeiten (Carsten in 4:33h, Sonja in 4:55h) während Benjamin mit dem ersten und einzigen Triathlon seit zehn Jahren sich erst Mal auf der olympischen Distanz mit 2:28h begnügte. Da im Allgäu sowohl auf dem Fahrrad als auch beim Laufen die Strecke ordentlich profiliert ist, wurde noch ein Wettkampf mit ähnlichen Anforderungen herausgesucht. Benjamin wählte mit dem Alpentriathlon am Schliersee und Spitzingsee wieder eine Kurzdistanz, Carsten legte sich am Walchsee / Kaiserwinkel ordentlich ins Zeug und finishte wieder eine Mitteldistanz. Beides übrigens auch sehr schöne Wettkämpfe mit absolut traumhaftem Panorama. Zu diesem Zeitpunkt überraschte Sonja mit der traurigen Nachricht, dass sie mit ihren Trainingsleistungen nicht zufrieden ist, der Terminkalender zu voll sei und sie ihre Teilnahme im Allgäu auf nächstes Jahr verschiebt. Kleiner Spoiler vorne weg: Sonja, wir lassen dich nicht allein! Wir kommen wieder mit 😉

So vergeht der Sommer mal wieder richtig schnell und die erste Hitzewelle geht in ein großes Tiefdruckgebiet über. Ende Juli, Anfang August herrscht Dauerregen in Süddeutschland und das Quecksilber zeigt lediglich 15°C an. Das sind ja rosige Aussichten. Doch pünktlich zur Monatsmitte, eine Woche vor Allgäu, ändert sich die Wetterlage und es herrschen in Mitteleuropa wieder tropische Temperaturen. Auch im Postfach erhöht sich die Frequenz und täglich kommt eine e-Mail mit neuen Informationen vom Veranstalter – inklusive Fotos und Videos der letzten 40 Jahre. Die Motivation wächst, der Vibe bildet sich aus und der Kult kommt in Fahrt.

Samstag, 19. August 2023 – ein letzter Aktivierungslauf um 10 Uhr bei 25°C und strahlendem Sonnenschein, bevor es im (zum Glück) klimatisierten Auto Richtung Allgäu geht. Es wird über die Wassertemperatur philosophiert… ist der Neo bei den Temperaturen überhaupt erlaubt? Benjamin hat weniger Angst vorm Schwimmen und sieht eher seinen Nachteil in seinem normalen Rennrad. Auch der Matchplan wird nochmal sortiert und aktualisiert. Bei einer Mitteldistanz wird auf dem Rad eine Durchschnittsleistung von 80% des FTP empfohlen…. so so … zum Glück haben wir ein Powermeter und einen Taschenrechner. Zumindest beim Laufen, da sind sich beide einig, ist Carsten der Stärkere. Aber er ist in der zweiten Startgruppe, 15 Minuten später. Carsten spricht Benjamin Mut zu und sagt: „Ich will dich auf der Strecke nur von Vorne sehen, wenn wir uns entgegen kommen!“. Die Bass-lastige Musik wird lauter gedreht, die Motivation wächst noch mehr, der Vibe bildet sich weiter aus und der Kult ist in Fahrt.

In Immenstadt ist eine Baustelle und so führt die Umleitung den oft erwähnte Kalverienberg hinab…. Mein Gott ist der lang und steil…. und hier sollen wir morgen mit dem Rad rauf? Vielleicht müssen wir doch noch kurz eine größere Kassette shoppen und das Bergpaket aufschnallen. Kurze Zeit später werden die Fahrräder eingecheckt. Es sind genau sechs Teilnehmer zwischen Benjamin und Carsten und beim Blick auf die Fahrräder zwischen uns sticht ein Name ins Auge: Ruben Zepunkte… ehemaliger Radprofi und jetzt Profitriathlet. Wir haben also nur kleine Konkurrenz. Überall gut gelaunte Triathleten, nervöse Fans und Anhänger. Und so schlendern wir über die Expo, machen bei Gewinnspielen mit, Informieren uns über die neuesten Gadgets, holen unser Teilnehmergeschenk, das neue Kult-Trikot, ab und lutschen ein Eis. Bei der Pasta-Party spielt die örtliche Blasmusik und das Race-Breefing beginnt. Dabei werden nicht nur die zu beachtenden Regeln erklärt und die Strecke mit ihren Gefahrenstellen erläutert. Mit Patrick Lange, dem zweifachen Weltmeister im Triathlon, wird ein weiterer Teilnehmer der Allgäu Classic vorgestellt. Die Konkurrenz wird größer und der Kult-Film über 40 Jahre Allgäu-Triathlon wird gezeigt. Die Motivation wächst ins unermessliche, der Vibe bekommt neue Dimensionen und der Kult… und der Kult ist eben Kult.

Der 20. August startet um 5:30 Uhr. Die Nacht war nur bedingt erholsam und so wird mit der Zahnbürste im Mund schnell Kaffee gekocht und Aufbacksemmel in den Ofen geschoben. Knappe 2h bis Rennstart: Abfahrt. Die zehn Kilometer von der Unterkunft zum Start sind die letzten Kilometer der Radstrecke. In der Race-Info heißt es hierzu: Wenn der Wind günstig steht, erwartet dich eine herrliche Drücker-Passage. Hier kannst du alles an Speed aus Bike und Beinen herausholen! Und wenn der Wind ungünstig steht, ist die Passage zwar immer noch herrlich, nur bist du eben etwas langsamer… Die Vorfreude ist rießig. Parkplatzsuche und Herrichten der Wechselzone. Noch kurz aufs Klo und ein Foto schießen, so schnell sind zwei Stunden vorbei. Es geht runter an den See, Abklatschen mit der Rennleitung und über die Matte zur Registrierung und den Steg ab ins Wasser. Wasserstart! 1,9 km Schwimmen mit Australian Exit…. was bitte? Wir sollen da nach 1,4 km kurz aus dem Wasser, im Neo 50 Meter an den jubelnden Zuschauer vorbei rennen und wieder ins Wasser? Wenn wir jemals einen Schwimmrythmus hatten, dann ist er spätestens danach komplett dahin. Aber was macht man nicht alles für die Zuschauer? Auf den letzten 500 m werden schon die Teilnehmer aus der vorherigen Startergruppe überholt und es folgt die wohl längste und heftigste Wechselzone des Triathlon…. immerhin spielt wieder Blasmusik für uns.

Es folgen 86 km Rad mit 1300 Höhenmetern auf zwei Runden. Als wir um 9 Uhr aufs Rad steigen hat es bereits 23°C und keine Wolke am Himmel. Zwei Mal Kalvarienberg und zwei Mal von Eckerts hoch nach Niedersonthofen. Am Horizont das malerische Alpenpanorama und die vielen, glasklaren Allgäuer Seen. Herrlich, einfach wunderschön…. Alle Versprechungen werden gehalten. Tausende Menschen mit Kuhglocken, Trillerpfeifen, Rasseln, Musikboxen und sogar E-Gitarren und Alpenhörner. Hat da jemand was von 13% Steigung erzählt? Kalvarienberg mit doppeltem FTP nach oben (was wurde nochmal empfohlen?). Das komplette Allgäu steht am Straßenrand, kaum noch Platz zum Überholen. Groß und klein, jung und alt, dick und dünn, alles Jubelt und feuert bis zur Heißerkeit an. Wir haben immer noch Gänsehaut und Adrenalin bis in die Haarspitzen! …. Das ist Motivation… Das ist Vibe….. Das ist KULT.

Nach etwa 2:45h sind noch knapp 20 km zu Fuß zurück zu legen. 28°C und kaum Schatten. Die Sonne brennt und der Asphalt sorgt für weitere Hitze. Dafür gibts alle 2 km eine Verpflegungsstation mit reichlich kühlem Nass. Die Strecke führt erst in einem hier schon wellige Profil den See entlang hinaus ins Immenstädter Umland. Nach 7,5 km Wende und zurück nach Bühl, das ist schon richtig kräftezährend. Bei Kilometer 8,5 kommt Carsten Benjamin entgegen. Kurzes Abklatschen und gegenseitiges Pushen… etwa 2,5 km Vorsprung … holt Carsten Benjamin doch noch ein? Immerhin kommen auf dem Weg zurück dann auch wieder die Teilnehmer der anderen Distanzen hinzu. Und auch die Zuschauer werden wieder mehr, je näher man Bühl kommt. Und bei Kilometer 15 erwartet uns ja noch ein weiteres Highlight. Der Kuhsteig! Ein schmaler Trampelpfad mit etwa 50 Höhenmeter. Wieder hunderte Menschen links und rechts. Nicht weniger werden wollender Jubel, ohrenbetäubender Lärm, Wasserdusche, motivierende Schilder und Sprüche und ein Fotograf unter dem Gipfelbogen. Die hohe Belastung ist vergessen. Das ist Motivation… Das ist Vibe….. Das ist KULT.

Es heißt überall, wenn man am Kuhsteig oben ist, dann hat man es quasi geschafft. Pustekuchen! Es sind bei der Classic noch 5 km zu gehen.. ähm laufen. Die ziehen sich nochmal ganz schön in die Länge. Aber bei dem Weg zurück nach Bühl, wo das Ziel ist, werden es nochmal viele Zuschauer, die eine unglaubliche Atmosphäre erzeugen. Hier auch mal ein Dank an alle, die uns hier so unterstützt haben! Ihr wart unglaublich. Ihr habt genauso hart gearbeitet wie wir und uns unsere Müdigkeit vergessen lassen…. Noch ein paar Kurven, etwas Kopfsteinpflaster und nochmal abbiegen Richtung Hafen. Eine kurze Schotterpassage mit Blick über den Alpsee und das herrliche Bergpanorama und schon ist Teppich ausgerollt. Die letzten Meter ins Ziel hinterlassen ein unglaubliches, nicht zu beschreibendes Gefühlt.

5:06h für Benjamin und 5:07h für Carsten, für die heißen Bedingungen doch sehr gute Zeiten. Carsten hatte sich ein wenig mehr erhofft, Benjamin ist mit dieser Zeit für seine erste Mitteldistanz doch sehr zufrieden. Kurze Abkühlung im See und dann ab zum After-Race Buffet inklusive Massage. Das gibt es in der Form bei keinem anderen Wettkampf. Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt…

  1. Allgäu Triathlon, wir kommen wieder: Das ist Motivation… Das ist Vibe….. Das ist KULT.

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